Für DaGerri:
Im Bann des WuTan.
Autor: M. Majandi
(PS: Die Rechtschreibung wird gelegentlich zwischendurch überprüft und korrigiert.)
1. Kapitel
Ausgerechnet das einzige Mädchen in der Horde spielender Kinder entdeckte die Münze als Erste. Zunächst hatte sie nur etwas am Rand ihres Blickfeldes aufblitzen sehen, einen Schimmer, wie ein Lichtreflex der Sonne auf einem glatten Gegenstand, sonst nichts. Und sie hätte es auch nicht weiter beachtet, wenn sie es nicht auch noch einzweites Mal gesehen hätte, diesmal direkt vor ihrer Nase. Und zwar ziemlich genau einen Daumen breit davor, als sie nämlich der Länge nach in den grauen Staub der schmutzigen Straße viel, in der die Kinder fangen spielten. Die meisten Jungen waren älter als Sarilia und wenn sie dran war, erwischte sie meistens nur einen der kleineren Jungen. Wenn aber einer der großen an der Reihe war, konnte es auch schon mal passieren, dass das zartgebaute, ja fast schmächtige Mädchen von einer derben Jungenhand von den eigenen Füßen gefegt wurde. So, wie jetzt. Sarilia machte das nichts aus. Sie stand normalerweise einfach wieder auf, wischte sich mit dem staubigen Ärmel über das Gesicht und setzte ihrerseits zur Hatz auf die Jungen an. Wahrscheinlich war das auch der Grund, warum die Jungen aus der Straße sie überhaupt mitspielen ließen. Viel Zeit zum Spielen gab es sowieso nicht. In einer Stadt wie dieser, in einem Land wie diesem, mussten die Kinder stets von früh bis spät irgendeine, meistens sehr harte und schwere Arbeit verrichten. Vor allem die Jungen. Fast alle Männer befanden sich seit Jahren in irgendeinem Krieg in irgendeinem Land gegen irgendeinen Feind. Sarilia und die Jungen hatten natürlich gar keine Ahnung worum es in diesen Kriegen ging, fest stand nur, dass sie gemeinsam mit den anderen Kindern, den Frauen, den Alten und den Krüppeln die einzigen Arbeitskräfte waren, die es gab und deshalb arbeiteten sie. Als Träger, Bauarbeiter, Gärtner, Kohlenlieferant und vieles mehr. Die meisten Mädchen nähten Kleidung und Uniformen, bauten Obst und Gemüse an, halfen den Frauen bei der Kinderbetreuung, wuschen Wäsche oder machten sich sonst wie nützlich. In der Mittagshitze allerdings arbeitete niemand und so nutzten die unermüdlichen Kinder die Zeit fürs Spielen und so entdeckte ausgerechnet Sarilia die Münze, die nicht nur ihr Leben verändern sollte, sondern dass einer ganzen Generation von Gaseldrianern.
2. Kapitel
Der Erk war natürlich genauso dumm, wie man es von einem seines Volkes erwarten durfte. Er trug nur einen Lendenschurz als Kleidung, stank erbärmlich und hieß, wie alle männlichen Vertreter der Höhlenerks eben Erk. Die Erks sahen keinen Sinn darin, sich unterschiedliche Namen zu geben. Männer waren Erks und Frauen waren Anerks. Das reichte ihnen. Dazu sahen alle Erks und Anerks für jeden aus einer anderen Rasse ziemlich gleich aus und waren kaum zu unterscheiden. Anders, als in anderen Rassen waren bei ihnen die Frauen etwas größer und muskulöser als die Männchen. Sie führten auch die Clans an und handelten mit anderen Rassen. Ihre Männer behandelten sie im Wesentlichen wie Ware. Sie kauften und verkauften die Erks untereinander, Erk hieß in ihrer Sprache so viel wie „Begatter“, und als Sklaven an andere. So war dieser Erk auch in die Dienste eines bestimmten Vertreters einer anderen Rasse gekommen. Erks waren verhältnismäßig massig, hatten kurze kräftige Beine und lange muskulöse Arme, die in gewaltigen Pranken mit nur drei Fingern und einem Daumen endeten und deren Knöchel zuweilen auf dem Boden schleiften. Sie hatten breite halslose Köpfe auf noch breiteren Schultern. Ihre Oberkörper erinnerten an riesige Holzfässer und den buckligen Rücken zierten zahlreiche Beulen und Narben. Wie seine Verwandten trug auch dieser Erk als Erkennungszeichen und als Symbol seiner Sklaverei die Ketten. Er war nicht etwa in Ketten gelegt, oder gefesselt. Vielmehr zierten sie seinen grobschlächtigen Körper an den unterschiedlichsten stellen. Sie waren beispielsweise am Maul des Ungetüms einfach durch das weiche Fleisch der Lefzen getrieben worden, verbanden die großen durchstoßenen Brustwarzen und ließen die kleinen Ohren unnatürlich lang aussehen, da ihr bloßes Gewicht die Ohrmuscheln in die Länge zog. Wenn ein Erk sich bewegte, rasselten die Ketten in einem fort, was seinen Besitzern, die ihm nie ganz über den Weg trauten, ankündigte, wenn er sich näherte. Erks neigten dazu, ihre Sklaverei durch einen kurz ausgeführten aber heftigen Schlag auf den Kopf ihres Besitzers selbst zu beenden, wenn sie sich schlecht behandelt fühlten. Sie gingen dann oft zu ihrem Volk zurück und ließen sich einfach neu verkaufen. Für die meisten Besitzer endete eine solche „Befreiung“ freilich tödlich.
Dieser Erk war außer sich, allerdings nicht vor Wut sondern vor Freude. „Meichter!“ rief er durch die dunklen Gänge des Höhlengewölbes. „Meichter! Ech ich, wie Ihr ech vorauchgechehen hattet! Allech ich eingetreten, wie ihr ech profetcheitet. Meichter, oh.“ Erk viel auf die Knie und seine Ketten rasselten noch ein wenig mehr, als er sich vor Bewunderung und Unterwürfigkeit vor seinem Meister im Dreck wandt, wie ein Wurm. WuTan, sein Meister, sah ihn nicht einmal an, sondern starrte auf die grünlich schimmernde Wolke, die vor ihm in der Luft zu schwebte. Sollte das, was er dort sah, sein Inneres auch nur im Geringsten berührt haben, so blieb es dort. Einzig seine pechschwarzen Augen schienen eine Spur mehr Glanz zu besitzen, als noch vor einigen Augenblicken. Sein langes strähniges Haar fiel ihm über beide Schultern und rahmte so sein fast totenbleiches, hageres Gesicht ein. Seine spitzen Gesichtszüge erinnerten an das Gesicht eines Habichts. Die dünne spitze Nase ragte über das spitzbärtige Kinn hinaus. Der Mund, nur ein dünner Strich im Gesicht bewegte sich nicht einen Millimeter als er sprach: „In der Tat,“ tönte seine Stimme nicht all zu laut aber gut hörbar durch die Höhle und hallte an dessen Wänden wieder. „In der Tat. Es ist ein Kind. Wohlgeraten. Doch es ist kein Knabe.“ WuTan sprach wohl mit sich selbst, denn Erk war inzwischen aufgestanden und hatte damit begonnen, an einem faustgroßen Stein zu nagen. Steinsplitter flogen ihm um die Ohren und er konzentrierte sich nicht weiter auf das, was in der Wolke zu sehen war sondern betrachtete zwei rattengroße Giftsalamander in einem großen Käfig und war gespannt, welcher von beiden überleben würde. Aus dem Toten würden dann zwei neue Salamander schlüpfen. Aber noch war alles ruhig. Die beiden Geschöpfe starrten sich nur an und bewegten nichts außer ihrer langen giftigen Zungen, mit der sie die Witterung des jeweils anderen aufnahmen, denn es waren Tiere der Dunkelheit, die mit ihren Augen nicht viel anfangen konnten. WuTan betrachtete noch immer die Szene in der grünlichen Wolke. Das Mädchen lag mit dem Gesicht im Dreck genau vor ihm und streckte gerade die Hand nach ihm aus, da verfinsterte sich die Szene. WuTan bewegte sich nicht, doch plötzlich kam das Mädchen zurück und blickte einem anderen Kind nach, dass vor schmerzen humpelnd das Weite suchte. „So,“ hörte man seine Stimme und der Erk drehte sich beiläufig nach seinem Herrn um. „Mein Plan funktioniert ja fast perfekt. Schade, dass es nur ein Mädchen ist. Aber wer weiß? Vielleicht wird mein Triumph dadurch nur noch größer.“ Ein unglaublich hässliches und schmutziges Lachen erfüllte die ganze Höhle und hallte schallend von allen Wänden wider, obwohl WuTan sich noch immer nicht einen Deut weit bewegte. Erk verzog das Gesicht zu einem Grinsen und steckte einen seiner dicken Zeigefinger durch die Stäbe in den Salamanderkäfig. Das ihm am nächsten sitzende Tier warf sich blitzschnell herum und stürzte sich darauf. Aber genau in dem Moment, als seine messerscharfen Zähne durch die graue lederartige Haut des Erk drangen und sich in das Fleisch gruben, schlug das andere Tier zu und zeriss dem ersten den Hals. Erk zog seinen blutenden Fimger aus dem Käfig und steckte ihn in sein riesiges Maul und machte ein merkwürdiges glucksendes Geräusch, das seine Art wohl für ein Lachen hielt.
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